Dienstag, 27. Januar 2015

Keynes – zu Ende gedacht


Über die Schaffung von gemeinschaftlichem Eigentum
und damit von Arbeitsplätzen

Ernst Dorfner

Die Schwierigkeiten, die nachfolgende Überlegungen bereiten mögen, liegen – wie Keynes anmerkt – nicht so sehr in den neuen Gedanken, sondern im Loskommen von den alten. Es geht dabei um das Thema „Staatsschulden“ und damit um das Thema „Schulden“ ganz allgemein.
Noch immer versteht die Mehrheit der Ökonomen und Wirtschaftspolitiker Geld als Tauschmittel, also als Mittel zur Vereinfachung des multilateralen Tausches. Dieser wird in der Formel Wa-G-Wb beschrieben: Die Ware a des A wird allerdings nicht direkt mit Geld gegen die Ware b des B getauscht. Geld wäre dann überflüssig. Sie wird gegen Geld des X getauscht, der dafür Ware a erhält, während A nun das Geld gegen die Ware b des B tauscht. X hat nun Ware a, A hat Ware b und B hat das Geld. Die obige Formel müsste also genau genommen heißen: Wa-Gx-Wb
Dabei wird vorausgesetzt, dass X das hierfür erforderliche Geld wiederum durch einen vorangehenden Tausch erhalten hat. Es also einfach da ist und immer schon da war.
.
Schulden tauchen in dieser Abfolge bis jetzt nicht auf. Alles ist abgeschlossen. Nun ist es aber vorstellbar, dass X sich Geld erst besorgen, also einen Kredit aufnehmen muss. Damit erwirbt er dann Ware a. Doch hat X jetzt auch Schulden. Diesen Schulden steht dann das erworbene Sachvermögen in Form der Ware a gegenüber, wie in jeder Bilanz sichtbar wird.
Damit aber hat sich auch die Sachlage maßgeblich verändert. Nicht nur ist eine weitere Person dazugekommen, nämlich der Kreditgeber; der ganze Vorgang ist zudem noch nicht abgeschlossen: X hat monetäre Schulden, die erst in Zukunft getilgt werden. Sonst gäbe es ja Schulden nicht. Damit ist die Zeit mit im Spiel, aber auch die Frage, wie denn diese Schulden getilgt werden können. Letztlich ist das nur möglich, wenn X mit dem, was er erworben hat, die Produktion einer verkaufbaren Ware aufnimmt, mit deren Verkauf gegen Geld er diese Schulden tilgen kann.
Damit aber stellt sich unsere Wirtschaft nicht als Tauschwirtschaft dar, in der zeitgleich bereits fertige Produkte getauscht werden, sondern als eine Wirtschaft, in der, ehe überhaupt getauscht werden kann, in die Produktion investiert wird. Produktion aber braucht Zeit. Erst mit dem Faktor „Zeit“ erhält der Begriff „Schulden“ auch einen Inhalt. Schulden sind damit in einer Investitionswirtschaft keine krankhafte Erscheinung, sondern integraler Bestandteil.
Mit dem Kredit der Banken wird nun aber dieses Schuldverhältnis ein anderes: Das ursprüngliche Schuldverhältnis aus dem Übergang der Ware a vom Geber A zum Nehmer X wird mit dem Kredit und der damit möglichen Bezahlung des Gebers A zu einem Schuldverhältnis zwischen Nehmer X und der Bank Y.
Letztlich geht es den Eigentumsübergang von A zu X. Die Frage, die nun aber zu stellen ist, heißt: Muss dies auch so sein, wenn X die staatliche Gemeinschaft ist, und mit dem Kredit gemeinschaftliches Eigentum geschaffen wird? Die Überlegungen zeigen, dass Keynes’sche Wirtschaftspolitik nicht zu Ende gedacht ist. Sie geht von einer falschen Vorstellung von Geld aus..
  1. Greift eine Einzelperson auf das Eigentum einer Einzelpersonen zu, um Eigentum für sich zu schaffen, so entsteht zwischen den Einzelpersonen ein Schuldner/Gläubiger-Verhältnis, das sich mit dem realen Schuldverhältnis deckt.
  1. Aus diesen vereinzelten Schuldner/Gläubiger-Verhältnissen entsteht erst durch Vermittlung der Banken ein (weltumspannendes) Verrechnungs-Netzwerk in solchen Verhältnissen. Es stellt sich in Form von Kredit/Geld dar. Der Preis für diese Vermittlungsdienstleistung der Banken ist der Zins.
  1. Greift die Gemeinschaft (Staat) auf das Eigentum von bestimmten Einzelpersonen zu, um damit gemeinschaftliches Eigentum zu schaffen, so entstehen zwischen der Gemeinschaft und diesen Einzelpersonen Schuldner/Gläubiger-Verhältnisse in Form von Verbindlichkeiten der Gemeinschaft.
  1. Der Anteil jeder Einzelpersonen am gemeinschaftlichen Eigentum ist der Lohn der gemeinschaftlichen Anstrengung. Diesem steht eine Bringschuld jedes Einzelnen als Forderungen der Gemeinschaft an den Einzelnen gegenüber.
  1. Über die gesamte Gemeinschaft saldieren die Verbindlichkeiten nach 3. und die Forderungen nach 4. zu Null. Die Gemeinschaft hat keine Schulden bei sich selbst.
  1. Es verbleiben aber Schuldner/Gläubiger-Verhältnisse zwischen den Einzelpersonen als positive oder negative Differenz aus ihren jeweiligen faktischen Beiträgen zum Entstehen des gemeinschaftlichen Eigentums, und den ihnen gemeinschaftlich als angemessen oder „gerecht“ zugeordneten Bringschulden bzw. Beiträgen.
  1. Festzulegen, was „gerecht“ ist, bleibt Aufgabe der Politik.
  1. Eine Verschuldung des Staates bei der Schaffung gemeinschaftlichen Eigentums geht daher nicht aus den realen Schuldner/Gläubiger-Verhältnissen hervor, sondern auf die Nutzung des von den Banken geschaffenen Verrechnungs-Netzwerkes
  1. Es verbleibt aber ein Netzwerk aus Verbindlichkeiten/Forderungen zwischen den Einzelpersonen, das über den Staat vermittelt wird. Die im Saldo dabei jeweils als angemessen zu erbringenden Beiträge der Einzelpersonen stellen sich in den gemeinschaftlich vereinbarten Steuern und Abgaben dar.
  1. Soweit die Finanzierung der Schaffung von gemeinschaftlichem Eigentum über Steuern und Abgaben erfolgt, wird somit 5. erfüllt.
  1. Nicht erfüllt wird 5. jedoch bei der Schaffung von gemeinschaftlichem Eigentum über eine Kredit-Finanzierung durch den Staat in Form des deficit spendings, wie es im Falle eines nicht ausreichenden Wirtschaftswachstums angewandt wird.
  1. Punkt 4 wird erst dann im obigen Sinn erfüllt, wenn zusätzliche Steuern und Abgaben in Höhe der Finanzierung über Kredite eingehoben werden. Ohne diese zusätzlichen Steuern und Abgaben wird ein „gerechter“ Ausgleich zwischen den Einzelpersonen nicht hergestellt.
  1. Dieser gerechte Ausgleich wird derzeit dadurch verhindert, dass die vom Staat über Kredite aufgenommene Geldsumme bei zu geringem Wirtschaftswachstum von den Unternehmen für die sonst nicht ausreichende Bedienung deren Kredite herangezogen wird, ebenso wie für Verbuchungen von Unternehmens-Gewinnen. (siehe Anhang)
  1. Mit den zusätzlichen Steuern und Abgaben erhält dagegen der Staat das Geld zurück, mit dem nun der Eigentum aufgenommene Kredit zurückgezahlt werden kann.
  1. Durch diese Kreditrückzahlung wird Geld (Kreditgeld) ebenso vernichtet, wie es durch Rückzahlung der Unternehmenskredite geschieht. Das heißt auch, dass in keinem der beiden Fälle eine längerfristige Erhöhung der umlaufenden Geldmenge bewirkt wird. Diesen Geldumlauf gibt es in diesem Sinn nicht. Soweit Geld in die Wirtschaft strömt, entsteht es aus einem Verschuldungsvorgang, dem idealtypisch eher früher denn später ein Entschuldungsvorgang folgt. Geld (Kreditgeld) wird damit geschaffen („Quelle“) bzw. vernichtet („Senke“).
  1. Der primäre Konjunktureffekt erfolgt somit nicht durch Erhöhung der Menge des umlaufenden Geldes, sondern durch einen jeweils einmaligen Nachfrageimpuls, indem das vom Staat zusätzlich ausgegebene Geld durch den vielfach verästeltem Wirtschaftskörper sickert, ehe es von vielerlei Steuerpflichtigen an den Staat zurückfließt. Sekundäre Effekte können aber dadurch angestoßen werden.
  1. Konkret erhält ein Unternehmen für eine zusätzliche Lieferung an den Staat jenen Preis, mit dem es diese angeboten hat. In den Preisen seiner ganzen Lieferungen müssen jedoch neben den vorhandenen nun auch die zusätzlichen Steuern und Abgaben enthalten sein. Der Anteil daran ist für das Unternehmen selbst jedoch nur ein Bruchteil der zusätzlichen Einnahmen. Der größere Teil wird zur Zahlung von Vorleistungen wieder einschließlich zusätzlicher Steuern und Abgaben verwendet. Die ganze Summe dieser kommt somit durch die Ausbreitung über eine Unmenge von Vorleistungs-Lieferanten zustande.
  1. Am Ende wird somit der Saldo aus zusätzlichen Steuern und Abgaben und zusätzlichen Geldeinnahmen in Form von Löhnen und Gewinnen zu Null, nicht aber der reale „Lohn“ für Arbeit und Kapital. Dieser stellt sich in Form einer allen Mitgliedern der Gemeinschaft zugute kommenden Mehrung kollektives Eigentum dar.
  1. Damit unterscheidet sich dieser Vorschlag sowohl von der Schuldenmacherei des Staates als auch von dem Gegenteil, dessen Spar- und Austerity-Politik. Wie bei letzterer wird auch bei diesem Vorschlag die Bedienung der Kredite der Unternehmen nicht staatlich unterstützt. Der Staat wird aber damit in die Lage versetzt, sinnvolle Arbeitsplätze zu schaffen, ohne sich zu langfristig zu verschulden. Allerdings muss auch er für die kurzfristigen Kredite Zinsen zahlen.
  1. Der Gemeinschaft in Form des Rechtsstaates im Zusammenhang mit den per Zwang eingehobenen Steuern und Abgaben hat aber die Möglichkeit, auf das durch die Geschäftsbanken vermittelte Verrechnungs-Netzwerk zu verzichten und mit dem staatlich vermittelten Netzwerk von Steuer-Verbindlichkeiten/Forderungen die gleiche Aufgabe ohne zusätzliche Zinskosten zu erfüllen. Anstelle des Geldes treten Steuergutschriften (Taxos siehe: www.taxos.info).
  1. Dieses Instrument bietet zudem den Vorteil einer Regionalisierung (im Gegensatz zur Globalisierung) auf die eigene Volkswirtschaft, da es seine Akzeptanz in der Bedienung der nationalen Steuern und Abgaben findet
  1. Bei der Einzahlung von Steuergutschriften bei den Finanzbehörden werden die Steuergutschriften vernichtet, so wie Geld bei der Rückzahlung von Bankkrediten vernichtet wird.
  1. Da Geld wie auch jede Steuergutschriften letztlich immer wieder vernichtet wird, bleibt am Ende der Reichtum einer Gemeinschaft im Eigentum von Gütern begründet. Bei diesem Vorschlag kommt es dabei zu einer echten Umverteilung zwischen Gütern, die der „Markt“ bereitstellt, und denen, die der Staat als kollektives Eigentum schaffen kann.
Grossgmain, Feber/März 2007
Anhang
Die Keynes’schen Formeln und ihre Interpretation
Vorbemerkung.
Folgende Formeln gehen vom Volkseinkommen Y aus, d.i. das BSP abzüglich der Abschreibungen.
Die Netto-Investition ist gleich den Brutto-Investition abzüglich der Re-Investition der Amortisation.
Die unten angeführten Gleichungen werden als „Keynes’sche Formeln“ bezeichnet. Die Frage stellt sich aber, ob ihre Interpretation auch dem Geist von Keynes gerecht wird.
Die übliche neoklassische Interpretation dieser Formeln:
Y = C + S
Das Volkseinkommen wird für Konsumgüter ausgegeben, der Rest gespart
In Ziffern: 100 = 80 + 20
Y = C + I
Das Volkseinkommen entsteht aus Ausgaben für die Erzeugung von Konsumgütern
und aus Netto-Investitionen
In Ziffern: 100 = 80 + 20
Daraus ergibt sich, dass S = I ist
Üblicherweise wird immer mit Relativzahlen gerechnet:
Also: Y/Y = y ; C/Y = c ; S/Y = s ; I/Y = i,
so dass y stets 1 bzw. 100 in Prozent ist.
y = c + s = c + i
Die Mitarbeiter von Keynes (und eigentlichen Theoretiker hinter Keynes) haben die Interpretation umgedreht, wie dann deutlich wird, wenn man bei Joan Robinson (Einführung in die Volkswirtschaftslehre, zus. mit John Eatwell) und Michal Kalecky (Theorie der wirtschaftlichen Dynamik) nachliest.

Robinson schreibt:
Die Arbeiter konsumieren, was sie verdienen,
und
die Kapitalisten (als Kollektiv) verdienen, was sie investieren.
Die Aussage wird dann verständlich, wenn wir uns klar machen, dass
die Ausgaben der Unternehmen für Investitionen
die Einkommen der Arbeiter im Investitionsgütersektor
sind.
Die Keynesianer schreiben daher in Absolutwerten und in dieser Reihenfolge:
C + I = Y
Die Ausgaben für die Erzeugung für Konsumgüter
plus
die Ausgaben für Netto-Investitionen
ergeben
das Volkseinkommen
In Ziffern: 100 + 20 = 120
Von diesem Volkseinkommen kann
von den Arbeitern des Konsumgütersektors nur C ausgegeben
und damit ein Anteil C/Y am real vorhandenem Konsumangebot konsumiert werden,
während die Arbeiter im Investgütersektor I ausgegeben,
und einen Anteil I/Y konsumieren.
Das Konsumangebot ist nun aber jenes,
das schon gestern mit Kosten C gefertigt wurde,
aber erst heute verkauft werden kann, und zwar mit einem Volkseinkommen
Y = C + I
Damit aber erzielen die Unternehmen im Konsumgüterbereich einen Überschuss in Höhe von
S = Y – C
Die makro-ökonomische monetäre Ersparnis der Unternehmen im Konsumgüterbereich ist gleich
den Ausgaben der Unternehmen für Nettoinvestitionen
In Ziffern: 20 = 120 –100
Daraus folgt
S = I
Die Unternehmen (als Kollektiv) verdienen, was sie investieren.
Damit können Gewinne und Zinsen verbucht werden.
Ernst Dorfner,
verbessert August 2006
Nach einer Vorlage vom Dezember 2000

Keine Kommentare: