Montag, 31. Dezember 2007

Geld - ein Tauschmittel? Schulden - ein krankhafter Auswuchs?


Ernst Dorfner

Schulden
und Schuldenakkumulation finden nach so mancher Ansicht ihre Ursache in einer Fehlkonstruktion unseres Geldes. Zu klären ist dann jedoch, ob überhaupt von dem Geld gesprochen wird, das wir haben. Ob die Überlegungen mit der Realität übereinstimmen.
Gehen wir von der weit verbreiteten Meinung aus, dass Geld allein von der Zentralbank als Tauschmittel ähnlich einer Ware „erzeugt“ wird, dann kann dieses auch nur von der ZB auf dem Tauschweg in Umlauf gebracht werden. Dieser Tausch kann nun aber nur darin bestehen, gegen Geld jene Güter einzutauschen, welche die ZB selbst für den Betrieb der Institution benötigt bzw. über die Entlohnung der Mitarbeiter in den Konsum fließt. Diese Güter werden nun aber mehr oder weniger rasch verbraucht, während die in Umlauf gesetzte Tauschware „Geld“ nicht verbraucht wird, also ad infinitum erhalten bleibt. Die Tauschware fließt weiter um, aber nicht mehr zur ZB zurück, sondern an dieser peripheren Institution vorbei. Was auch können die Nichtbanken von der ZB eintauschen? Doch nur Geld gegen Geld. Das heißt, dass die ZB immer wieder neue geschaffenes Geld einsetzen muss, um ihren Betrieb zu finanzieren. Wenn dabei die jeweils von der ZB ausgegebene Geldmenge auch klein ist, so akkumuliert das rasch zu einer beträchtlichen Summe des in Umlauf gesetzten Geldes.
Die Vorstellung von Geld als Tauschware ist bereits hier in Frage zu stellen.
Die von der von der ZB geführte Buchhaltung bleibt dabei eine einfache Ausgaben/Einnahmen-Rechnung, auf der ausgabenseitig die Ware „Geld“ und einnahmenseitig die zugekauften Waren und Leistungen sowie Lohnzahlungen verbucht werden. Diese Buchhaltung wäre dabei so wie auch die Institution ZB peripher, somit eigenständig. Es wäre keine doppelte Buchhaltung, wie es die Bilanzbuchhaltungen der Banken sind. Hier ist aber nun die Frage zu stellen: Stimmt das auch mit der Realität überein? Oder wird das falsifiziert? Ist also die Buchhaltung der ZB keine einfache Einnahmen/Ausgaben-Rechnung?
Andererseits: Wenn nun das von der ZB bereitgestellte Geld einfach irgendwie an alle verteilt - vom Hubschrauber („Hubschraubergeld“) abgeworfen - wird? Wie schaut dann die Buchhaltung der ZB aus? Eine einfache Aufsummierung, wie viel und zu welchem Datum „abgeworfen“ wurde?
Wie aber schaut nun die Wirklichkeit – das, was wirkt - aus? Werfen wir dazu einen Blick in die Monatsberichte etwa der Bundesbank. Man mag diese Statistik als Realität so oder so werten, trotzdem bleibt sie Realität, ein Faktum, das die Ausrichtung der Sozialökonomie von purer Ideologie zur Wissenschaft macht.
Während nach obigen Vorstellungen die Geldschöpfung - wie immer sie auch erfolgt – bei der ZB liegt, erfolgt die Kreditgewährung allein durch die Geschäftsbanken (GBen). Diese sammeln jenes Tauschgeld in Form des Bargeldes, das gespart, also für Zukäufe in nächster Zeit vom Geldbesitzer nicht benötigt wird - also "überflüssig" ist - und leihen es an diejenigen weiter, die eine größere Anschaffung (Investition) tätigen wollen. Jetzt (erst) entstehen Schulden in dieser Vorstellungswelt.
Das nun könnte anhand der bei den Geschäftsbanken geführten doppelten Buchhaltung (Bilanzbuchhaltung) nach Übersicht IV durchaus nachvollzogen werden. Die Gleichheit der Kredit(Aktiv)-Seite mit der Einlagen(Passiv)-Seite lässt diese Überlegung widerspruchslos zu. Daraus aber geht nicht hervor, was zuerst ist: Die Einlage, also das Passivgeschäft, oder der Kredit, also das Aktivgeschäft?
Grundlage unserer weiteren Betrachtungen ist der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank (hier für Dezember 2005), und dort die Übersichten II, III und IV . (siehe dazu den Beitrag „Die ganze Geldwirklichkeit liegt nur in den Büchern“). Das Bargeld ist dabei jenes ZB-Geld, das in Umlauf gebracht wird.
Dort fällt auf:
  • Übersicht II ist die konsolidierte Bilanz der Geschäftsbanken (monetäre Finanzinstitutionen) mit Einschluss der Bundesbank[i]. Übersicht III und IV werden zu dieser konsolidiert.
  • In Übersicht II scheint Bargeld auf der Passivseite als „Bargeldumlauf“ auf.
Bargeldumlauf 12/05:143,5 Mrd. Euro.
Bilanzsumme 12/05: 4667,4 Mrd. Euro.
  • In Übersicht III – der Bilanz der Bundesbank - scheint Bargeld auf der Passivseite als „Banknotenumlauf“ auf.
Banknotenumlauf 12/05: 153,7 Mrd. Euro, dem auf der Aktivseite ein Großteil der „Forderungen aus geldpolitischen Operationen an Kreditinstitute ...“ in Höhe von 203,9 Mrd. Euro gegenüber steht. Der Rest sind Guthaben der GBen bei der BB.
Bilanzsumme 12/05: 344,1 Mrd. Euro, davon Goldforderungen: 47,9 Mrd. Euro
  • In Übersicht IV – der konsolidierten Bilanz der Geschäftsbanken[ii] ohne Bundesbank - scheint Bargeld auf der Aktivseite als „Kassenbestand“ auf.
Kassenbestand 12/05: 15,1 Mrd. Euro,
Bilanzsumme 12/05 mit Einschluss der Forderungen/Verbindlichkeiten der Banken untereinander: 6859,4 Mrd. Euro.

Damit stellt sich die Wirklichkeit wie folgt dar:
  • Die Buchhaltung der Bundesbank nach Übersicht III ist so wie die der Geschäftsbanken nach Übersicht IV eine doppelte, also eine Bilanzbuchhaltung, und nicht wie oben skizziert, eine einfache Einnahmen/Ausgaben-Rechnung. In letzterem Fall könnten die Bilanzen der ZB und die konsolidierten Bilanzen der GB ja gar nicht weiter zur Übersicht II konsolidiert werden. Alle müssen dazu die gleiche Struktur haben.
  • In den Bilanzen nach Übersicht III stehen
  • auf der Passivseite die Verbindlichkeiten der BB gegenüber den Nichtbanken in Form des Banknotenumlaufs als Schulden der BB bei den Nichtbanken plus den ZB-Guthaben in Form von Schulden der BB bei den GBen,
  • und auf der Aktivseite Forderungen der ZB gegen die Geschäftsbanken in Form der „Forderungen aus geldpolitischen Operationen an Kreditinstitute .....“
  • Die Guthaben der GBen bei der BB dienen dem Interbanken-Zahlungsverkehr zwischen den einzelnen GBen.
  • Nach Übersicht III steht dem ganzen ZB-Geld nichts anderes gegenüber als Forderungen der BB gegen die GBen. Geld sind die Schulden anderer, sind eine Macht über andere, nämlich die Verpflichteten, und ist damit mehr als der Besitz von Materiellem.
  • Aus Übersicht III sollte deutlich werden, dass es hier nicht um den Tausch von Etwas (Geld) gegen ein anderes Etwas (Waren) geht, sondern um Beziehungen, nämlich der zwischen Schuldnern und Gläubigern vermittels der Bank. Die nicht-materielle Substanz des Geldes manifestiert sich in den damit möglichen Zugriff auf das Eigentum anderer über Verschuldung (Kredit), was wiederum auf der damit möglichen Befreiung von Schulden aufbaut.
  • Aus Übersicht II geht hervor, dass es sich um ein ganzes Beziehungsnetzwerk zwischen den Nichtbanken und dem Bankensystem geht. Wenn wir somit von Geld reden, dann reden wir von Beziehungen.
  • Nach Übersicht III kommt sämtliches ZB-Geld über geldpolitische Operationen an Kreditinstitute in den Verkehr. Daran ändert sich auch nichts durch den 10 bis 15-prozentigen Anteil von Gold und Goldforderungen an den Aktiva. Das von der ZB geschaffene Geld ist somit im vollen Umfang Kreditgeld, also Geld, das erst durch Kreditnachfrage (Verschuldung) der GBen in Verkehr kommt. Zudem liegt auch - rein pragmatisch gesehen – eine eventuell vermeintliche Deckung des Banknotenumlaufs mit Gold unter 10 %. Der Rest besteht ja wiederum „nur“ in Gold-Forderungen. .
  • ZB-Geld ist bereits Kreditgeld. Es entsteht durch Verschuldung und fügt sich damit in das System ein, wo jeder Zugriff auf fremdes Eigentum ein „Schuldig-bleiben“ im ersten Schritt bedingt.
  • In den Bilanzen nach Übersicht II stehen
  • auf der Passivseite die Verbindlichkeiten des Bankensystems gegenüber den Nichtbanken in Form von täglich fälligen (Giralgeld) bis längerfristig gebundenen Forderungen und in Form des Bargeldumlaufes (ZB-Geld)
  • und auf der Aktivseite Forderungen des Bankensystems unterschiedlicher Fälligkeiten gegen die Nichtbanken in Form von Schulden (Verbindlichkeiten) der Nichtbanken.
  • Aus Übersicht IV geht hervor, dass - rein pragmatisch - nur ein geringer Teil dieser Forderungen aus geldpolitischen Operationen nach Übersicht III mit ZB-Geld nach Übersicht IV überhaupt hinterlegt werden könnten. (15,1 Mrd. von 143,5 Mrd. Euro)
  • Die Konsolidierung der Bilanzen von BB und GBen in Übersicht II zeigt: Die Bundesbank und die Geschäftsbanken stehen bis auf das Recht der Schaffung von ZB-Geld (Banknoten) gleichrangig nebeneinander – somit die Bundesbank nicht über den Geschäftsbanken. Giralgeld (GB-Geld) wie ZB-Geld sind Verbindlichkeiten des Bankensystems.
  • Nach Übersicht II sind Bargeld Verbindlichkeiten zwar des ganzen Bankensystems, aber entsprechend Übersicht III der BB zugeordnet. „Die BB nimmt das ZB-Geld mit in die Konsolidierung“.
Das führt zu folgenden Erkenntnissen:
  • Es ist zwar widerspruchsfrei denkbar, dass die Geschäftsbanken Geld, das aber die ZB vorher schaffen und irgendwie in Verkehr bringen müsste, in Form von Ersparnissen sammeln, um dieses Geld anschließend als Kredite weiterzugeben.
  • Es ist auch noch widerspruchfrei denkbar, dass die ZB selbst Geld, das sie allerdings vorher selbst schaffen müsste, in Form von Ersparnissen bei den Nicht-Banken sammelt, um es dann als Kredite an GBen weiter zu geben. Da aber die ZB mit den Nicht-Banken rechtlich keine Geschäftsbeziehungen haben darf, ist ihr solches Handeln nicht möglich.
  • Es ist aber nicht widerspruchsfrei denkbar, dass die ZB zuerst jenes Tausch-Geld bei den Nichtbanken sammelt, das es noch gar nicht gibt ( in den buchhalterischen Unterlagen nirgends zu finden ist), um es über Kredite an die GBen wieder in Verkehr zu bringen.

  • Es ist nicht zu zeigen, dass das Bargeld (Bargeldumlauf) Schulden in Bargeld der GBen bei den Einlegern sind – wie es der Vorstellung, die GBen wären Sammler von Bargeld, entspräche.
  • Es ist praktisch nicht möglich, mit dem Bargeldumlauf in Höhe von 125,9 Mrd. Euro die ganzen Geldverbindlichkeiten des Bankensystems = Geldvermögen der Nicht-Banken in Höhe von 4511,9 Mrd. Euro auszuzahlen.
Daraus folgt:
  • Es ist nirgends Geld in Form einer Tauschware zu finden, die von der ZB eingangs des Prozesses geschaffen wird.
  • Alles Geld besteht in Verbindlichkeiten - und in nichts als Verbindlichkeiten – des ganzen Bankensystem mit Einschluss der ZB.
  • Kredite sind Forderungen – und nichts als Forderungen – des ganzen Bankensystems mit Einschluss der ZB.
Zudem gilt - plakativ verkürzt:

Geld kann niemand ausser den Banken machen – Schulden aber jeder.

Letzteres allerdings mit Einschränkung: Jeder kann etwas schuldig bleiben, aber Schulden machen (aktiv durch Kreditaufnahme) nur die/der, welche(r) über „Kredit verfügt“, also den Kredit besichern kann.
Dass die Banken Geld machen können, wird dann voll einsichtig, wenn man Geld nicht als etwas materielles sieht, sondern als Beziehung, die auf Vertrauen - "Kredit"- aufbaut. Deshalb spricht man auch von "Kreditinstituten". Dieser "Kredit" zeigt sich für den Bankkunden in der schuldbefreienden Wirkung, die durch Geld erfolgt.
Somit gilt:
  • Das Aktivgeschäft kommt vor dem Passivgeschäft.
Diese Aussage gilt für die Kredite des Bankensystems. Erst mit dem Passivgeschäft kommt Geld zu den Nichtbanken. Mit diesem Geld bei den Nichtbanken können auch Ersparnisse im Sinne von nichtverbrauchtem Geld entstehen, das über Banken und andere Institutionen wie Bausparkassen oder Versicherungen als Darlehen wieder vergeben wird.
Da zudem der ZB der Geschäftsverkehr mit den Nichtbanken verboten ist, braucht es die zeitlich vorangehende Kreditgewährung der GBen an die Nichtbanken. Die Geschäftsbanken sind somit der Zentralbank vorgelagert.
Als Fazit ergibt sich:
  • Bargeld wie Giralgeld entstehen aus Verschuldung. Das Gegenüber von Geld sind somit Schulden der Geschäftsbanken wie der Zentralbank – und nichts anderes als Schulden - als Rechtsdokument, einer Verpflichtung nachzukommen. Diese Verpflichtung besteht darin, die den Verbindlichkeiten der Banken gegenüber stehenden. Verbindlichkeiten der Schuldner damit zu tilgen.
  • Den Bilanzen der Banken stehen die Bilanzen der Unternehmen gegenüber. Sie fügen sich widerspruchsfrei ein.[iii] Den Schulden der Unternehmen stehen in den Bilanzen das Vermögen der Unternehmen gegenüber.
  • Schuldenwachstum bedeutet so auch Wachstum an – aber nicht nur – von realem Vermögen.
  • Schulden sind somit kein für sich allein stehender Auswuchs, keine rein monetäre Aufblähung.
  • Die Akzeptanz des Geldes besteht darin, dass eben diese damit mögliche Schuldenbeseitigung wirklich erlebbar, also Wirklichkeit ist. Geld ist Schuldentilgungsmittel.
  • Schulden sind somit konstituierendes Element der Geldwirtschaft, und nicht eine Krankheit, ein Auswuchs einer privilegierten Stellung des Geldes, welche durch chirurgischen Eingriff zu beseitigen ist: Etwa durch Streichung der Schulden.
  • Mit einer Streichung der gesamten Schulden verschwindet deshalb auch das ganze Geld und Geldvermögen.
  • Dieser Gedanke kann daher nur durch eine Sicht auf unsere Wirtschaft als Tauschwirtschaft zustande kommen, in der es durch Verwendung von Tauschgeld erst nach in Umlaufbringung des Geldes zur einer Akkumulation von Schulden kommt. Schulden sind ja hier kein konstituierendes System-Element. Ihre Beseitigung bringt das System nicht zum Einsturz. Das Tauschgeld bleibt ja davon unberührt, weil es nicht aus Verschuldung entstanden ist. Offen bleibt dabei, wie die Bilanzen der Unternehmungen hier hereinpassen. Oder: Sind die dort ausgewiesenen Schulden von anderer Natur als die oben beschriebenen?
Ernst Dorfner
Dezember 2007
Literatur:
Die ganze Geldwirklichkeit liegt nur in den Büchern, in
http://aktegeld4.blogspot.com
http://www.bundesbank.de/volkswirtschaft/vo_monatsbericht_2007.php

Endnoten:


[i] In dieser konsolidierten Bilanz werden die Forderungen mit den Verbindlichkeiten der Geschäftsbanken untereinander ausgeglichen, nicht aber die gegen/gegenüber der Bundesbank.
[ii] In der konsolidierten Bilanz der Geschäftsbanken allein werden alle Forderungen und alle Verbindlichkeiten ausgewiesen, somit auch die internen zwischen den Banken
[iii] Wer aber sind heute die Schuldner? Werfen wir einen Blick in die Statistik:
LEGENDE:
GV.........Geldvermögen
GS..........Geldschulden
NGV..... .Netto-Geldvermögen
NGS........Netto-Geldschulden
PH ...........Private Haushalte
NFKG.......Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften
St ............Staat
MFI.........Monetäre Finanzinstitutionen
SFV.........Sonstige Finanzinstitutionen plus Versicherungen


PH NFKG St

MFI SFV

1
2
3
4 = (1+2+3)
5
6
GV
4.259,9
2.057,2
440,4
6.757,5
6.086,8
2.565,8
GS
1.569,3
3.633,8
1.591,8
6.794,9
5.897,9
2.500,3
NGV
2.690,6



188,8
65,5
NGS

1.576,6
1.151,4




Tab. 1: Geldvermögen und Geldschulden für Ende 2005 in Mrd. Euro,
Quelle: zusammengefasst aus Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S.32ff Tabelle

Wir sehen: Die Geldvermögen sammeln sich bei den privaten Haushalten, während die größten Schuldner die Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sind, also die Unternehmen. Die größten Netto-Schuldner wiederum sind die Unternehmen, gefolgt vom Staat. Sie sind Schuldner gegenüber den privaten Haushalten, aber als Einzelne auch Schuldner gegenüber anderen Unternehmen, etwa in Form offener Rechnungen, die beim Gegenüber als Geldvermögen zu Buche schlagen.
Aber auch die privaten Haushalte haben hohe Schulden. Das aber sind gerade nicht die Armen, sondern die Reichen und der Mittelstand. Die Armen können nämlich – abgesehen von nichtbezahlten Rechnungen und Teilzahlungen in der Lebensführung und damit einer in Relation gesehen untergeordneten Größe – keine Schulden haben, weil sie ja mangels Vermögen gar keine Kredite aufnehmen können.
Zu den Haushalten zugerechnet werden aber auch alle Einzelunternehmer wie Freiberufler, Künstler, Kleingewerbetreibende, usw, also alle Unternehmen, die keine Kapitalgesellschaften sind. So verbirgt sich auch hier hinter der Statistik ein sehr differenziertes Bild.
Am ehesten als homogenes Gebilde kann der Staat betrachtet werden, wiewohl es auch hier zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften Gläubiger/Schuldner-Verhältnisse gibt, wie auch aus der Position „Geldvermögen des Staates“ abgeleitet werden kann.

Noch zur Position Spalte 6 (sonstige Finanzinstitutionen plus Versicherungen): Die Finanzierung erfolgt über Ersparnisse, und nicht – so meine Meinung - aus Kreditschöpfung. Hier also kommt das Passivgeschäft vor dem Aktivgeschäft. Auf diese Weise sind auch die Differenzen zwischen Spalte 4 und 5 erklärbar.

Über die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes

Ernst Dorfner



Die in vielen Regionen initiierten Regiogeld-Projekte gehen von der monokausalen Meinung aus, die sozio-ökonomischen Probleme gingen von einem unzureichenden bzw. zu langsamen Umlauf des Geldes, insbesondere des Bargeldes, aus. Würde dieses rascher umlaufen, würde sich auch die Wertschöpfung erhöhen.


So kommt Christian Gelleri, Initiator des Chiemgauer Tauchkreises, in einem Beitrag in „Fragen der Freiheit“ Heft 269 zu folgender plakativen Formel, in welcher Umlauf-Impuls für Umlaufgebühr steht:
Umlauf-Impuls = höherer Umlauf = mehr Umsatz = mehr Arbeit und bessere Ressourcen-Nutzung.


Er ermittelt für den Chiemgauer eine Umschlaghäufigkeit von 21 /Jahr, während diese seiner Rechnung nach für den Euro nur 11,34/Jahr beträgt. Dazu schreibt er selbst:

„Beim Chiemgauer wurden 2004 210.000 Büro in Chiemgauer eingetauscht. Es wurden die Anbieter befragt, wie viel Chiemgauer sie zurücktauschen und weitergeben. Heraus kam eine Weitergabequote von 66% Ende 2004. Daraus ergibt sich ein Multiplikator von 3 (=1/(1-Weitergabequote)). Der Gesamt-Umsatz in Chiemgauer wird nun dividiert durch das durchschnittlich umlaufende Chiemgauer-Volumen. Hieraus ergibt sich eine Umlaufgeschwindigkeit von 21. Bezogen auf die Netto-Wertschöpfung wäre die Umlaufgeschwindigkeit nochmal durch ei­nen geeigneten Faktor zu dividieren.

Um einen fairen Vergleichswert beim Euro zu erhalten, wird der Brutto­produktionswert, genommen als Summe aller geleisteten Werte, dividiert durch die Summe von Bargeld und Sichtguthaben (Geldmenge Ml). Dieser Wert ist relativ niedrig und muss entsprechend der unterschiedlichen Um­laufgeschwindigkeit von Sichtguthaben und Bargeld noch gewichtet wer­den. Hierzu eignet sich die Heranziehung des Einzelhandelsumsatzes und des Bargeldanteils bei Käufen im Einzelhandel.“

Nun betragen für 2004:

das Bruttoinlandsprodukt 2.214 Mrd. Euro,

die privaten Konsumausgaben 1.312 Mrd. Euro,

die Bargeldmenge im Schnitt 120 Mrd. Euro,

die Bar- und Giralgeldmenge i.S. 790 Mrd. Euro.

Was immer man da an Rechnung aufmacht, liegt alles weit unter 10, da ja auch die privaten Konsumausgaben zumindest zur Hälfte bargeldlos bezahlt werden, so die Miete, Betriebskosten, usw..

Hier aber noch weiter nachzuforschen, ist vergebliches Bemühen. Allein schon die Vorstellung vom Geldumlauf in den Köpfen der Initiatoren der Regiogeld-Projekte kann bestenfalls für den Chiemgauer zutreffen:

Wenn ein Mitglied einer Regio-Initiative von einem anderen Mitglied ein Gut kauft, überträgt es als Gegenleistung den vereinbarten Betrag. Der Ver­käufer bezahlt seine Lieferanten oder Mitarbeiter, um keine Kosten für das erhaltene Guthaben tragen zu müssen. So wandert das Guthaben von Hand zu Hand, weil es keiner längerfristig in der Kasse halten will. Der Weiterga­bedruck auf Regio führt dazu, dass die Umlaufgeschwindigkeit im Ver­gleich zum Euro steigt.“

Das „von Hand zu Hand gehen“ von Geld mag es vielleicht am Monatsmarkt in Timbuktu noch geben, nicht aber in unserer hochhierarchisch gegliederten Industriewirtschaft. Selbst Bargeld geht kaum mehr von Hand zu Hand, sondern von der Bank (Bankkonto) über einen Haushalt und einem Einzelhändler wieder zu Bank (Bankkonto). Der Einkauf des Einzelhändlers wird ja wieder bargeldlos eher im Monatsrhythmus bezahlt.

Insgesamt geht es hier um vielschichtig überlagerte Ver- und Entschuldungsprozesse in der ganzen Tiefe der industriellen Produktion, bei denen auch die Arbeitseinkommen mit entstehen, beim Bäckereiarbeiter genau so wie beim Arbeiter in der Gewinnung von Rohstoffen. Es ist dies ein ganzer Zahlungsstrom, von dem der Arbeitseinkommensstrom nur ein geringer Teil ist. So betragen in Deutschland 2004

das Bruttoinlandsprodukt 2.214 Mrd. Euro,

die Arbeitsnehmerentgelte 1.134 Mrd. Euro,

die privaten Konsumausgaben 1.312 Mrd. Euro,

das gesamte Transaktionsvolumen 33.450 Mrd. Euro,

die Passiva = Aktiva der MFIs i. S. 4.500 Mrd. Euro.

Setzt man nun beim Transaktionsvolumen mit der Bar- plus Buchgeldmenge an, so ergibt sich eine Umschlaghäufigkeit von 37/Jahr. Das aber liefert wieder ein verzerrtes Bild. Denn genauso gut kann das ganze Geldvermögen = Geldschulden herangezogen werden, wobei das Geldvermögen der Nichtbanken ident ist mit den Passiva der konsolidierten Bilanz der Monetären Finanzinstitutionen in Deutschland einschließlich Bundesbank. Damit ergibt sich dann wieder eine verzerrte Umschlaghäufigkeit von etwa 7,5/Jahr.

Auf jeden Fall ist es aber nicht so, dass wir zwischen bewegtem Geld und ruhendem Geld unterscheiden müssten. Vielmehr ist alles Geld in Bewegung, nur mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bzw. unterschiedlichen Umschlaghäufigkeiten. Es liegen weder die Geldschulden noch die Geldvermögen unbeweglich bei bestimmten Personen ein für alle Mal fest. Auch hier kommt es zu Bewegungen in Form von Ab- bzw. Aufbau der einen wie der anderen.

Der Schluss von Gelleri von einer Teilmenge auf das Ganze ist daher unzulässig und irreführend.

Um es im Bild zu sagen: Nicht nur der Golfstrom bewegt sich aus dem Golf von Mexiko über den Atlantik und an West- und Nordeuropa vorbei, sondern die ganzen Meere sind in ständiger Bewegung. Und diese Bewegungen nehmen auch den Golfstrom mit. Würden diese Bewegungen aufhören, wäre es auch mit dem Golfstrom vorbei, und damit mit der Eisfreiheit der nordischen Länder.

So geht es auch nicht allein um die Bewegung des Bargeldes. Oder des Bargeldes und des Buchgeldes. Es geht um den ständigen Fluss der Geldschulden bzw. Geldvermögen, der nicht nur wegen seiner geringen Geschwindigkeit nicht erkannt wird, sondern weil es sich nur in den Büchern vollzieht. Bargeld spielt hier überhaupt keine Rolle. Und damit auch nicht die Beschleunigung des Umlaufes von Bargeld.

Mit der Verlangsamung des Schulden/Vermögensstromes in den Bereichen, wo die Arbeitseinkommen mit hervorgebracht werden, verlangsamt sich auch das Finanzierungspotential des Staates, da sich ja Steuern und Abgaben als Anteile (Auf- bzw. Abschläge) daran bestimmen.