Montag, 31. Dezember 2007

Über die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes

Ernst Dorfner



Die in vielen Regionen initiierten Regiogeld-Projekte gehen von der monokausalen Meinung aus, die sozio-ökonomischen Probleme gingen von einem unzureichenden bzw. zu langsamen Umlauf des Geldes, insbesondere des Bargeldes, aus. Würde dieses rascher umlaufen, würde sich auch die Wertschöpfung erhöhen.


So kommt Christian Gelleri, Initiator des Chiemgauer Tauchkreises, in einem Beitrag in „Fragen der Freiheit“ Heft 269 zu folgender plakativen Formel, in welcher Umlauf-Impuls für Umlaufgebühr steht:
Umlauf-Impuls = höherer Umlauf = mehr Umsatz = mehr Arbeit und bessere Ressourcen-Nutzung.


Er ermittelt für den Chiemgauer eine Umschlaghäufigkeit von 21 /Jahr, während diese seiner Rechnung nach für den Euro nur 11,34/Jahr beträgt. Dazu schreibt er selbst:

„Beim Chiemgauer wurden 2004 210.000 Büro in Chiemgauer eingetauscht. Es wurden die Anbieter befragt, wie viel Chiemgauer sie zurücktauschen und weitergeben. Heraus kam eine Weitergabequote von 66% Ende 2004. Daraus ergibt sich ein Multiplikator von 3 (=1/(1-Weitergabequote)). Der Gesamt-Umsatz in Chiemgauer wird nun dividiert durch das durchschnittlich umlaufende Chiemgauer-Volumen. Hieraus ergibt sich eine Umlaufgeschwindigkeit von 21. Bezogen auf die Netto-Wertschöpfung wäre die Umlaufgeschwindigkeit nochmal durch ei­nen geeigneten Faktor zu dividieren.

Um einen fairen Vergleichswert beim Euro zu erhalten, wird der Brutto­produktionswert, genommen als Summe aller geleisteten Werte, dividiert durch die Summe von Bargeld und Sichtguthaben (Geldmenge Ml). Dieser Wert ist relativ niedrig und muss entsprechend der unterschiedlichen Um­laufgeschwindigkeit von Sichtguthaben und Bargeld noch gewichtet wer­den. Hierzu eignet sich die Heranziehung des Einzelhandelsumsatzes und des Bargeldanteils bei Käufen im Einzelhandel.“

Nun betragen für 2004:

das Bruttoinlandsprodukt 2.214 Mrd. Euro,

die privaten Konsumausgaben 1.312 Mrd. Euro,

die Bargeldmenge im Schnitt 120 Mrd. Euro,

die Bar- und Giralgeldmenge i.S. 790 Mrd. Euro.

Was immer man da an Rechnung aufmacht, liegt alles weit unter 10, da ja auch die privaten Konsumausgaben zumindest zur Hälfte bargeldlos bezahlt werden, so die Miete, Betriebskosten, usw..

Hier aber noch weiter nachzuforschen, ist vergebliches Bemühen. Allein schon die Vorstellung vom Geldumlauf in den Köpfen der Initiatoren der Regiogeld-Projekte kann bestenfalls für den Chiemgauer zutreffen:

Wenn ein Mitglied einer Regio-Initiative von einem anderen Mitglied ein Gut kauft, überträgt es als Gegenleistung den vereinbarten Betrag. Der Ver­käufer bezahlt seine Lieferanten oder Mitarbeiter, um keine Kosten für das erhaltene Guthaben tragen zu müssen. So wandert das Guthaben von Hand zu Hand, weil es keiner längerfristig in der Kasse halten will. Der Weiterga­bedruck auf Regio führt dazu, dass die Umlaufgeschwindigkeit im Ver­gleich zum Euro steigt.“

Das „von Hand zu Hand gehen“ von Geld mag es vielleicht am Monatsmarkt in Timbuktu noch geben, nicht aber in unserer hochhierarchisch gegliederten Industriewirtschaft. Selbst Bargeld geht kaum mehr von Hand zu Hand, sondern von der Bank (Bankkonto) über einen Haushalt und einem Einzelhändler wieder zu Bank (Bankkonto). Der Einkauf des Einzelhändlers wird ja wieder bargeldlos eher im Monatsrhythmus bezahlt.

Insgesamt geht es hier um vielschichtig überlagerte Ver- und Entschuldungsprozesse in der ganzen Tiefe der industriellen Produktion, bei denen auch die Arbeitseinkommen mit entstehen, beim Bäckereiarbeiter genau so wie beim Arbeiter in der Gewinnung von Rohstoffen. Es ist dies ein ganzer Zahlungsstrom, von dem der Arbeitseinkommensstrom nur ein geringer Teil ist. So betragen in Deutschland 2004

das Bruttoinlandsprodukt 2.214 Mrd. Euro,

die Arbeitsnehmerentgelte 1.134 Mrd. Euro,

die privaten Konsumausgaben 1.312 Mrd. Euro,

das gesamte Transaktionsvolumen 33.450 Mrd. Euro,

die Passiva = Aktiva der MFIs i. S. 4.500 Mrd. Euro.

Setzt man nun beim Transaktionsvolumen mit der Bar- plus Buchgeldmenge an, so ergibt sich eine Umschlaghäufigkeit von 37/Jahr. Das aber liefert wieder ein verzerrtes Bild. Denn genauso gut kann das ganze Geldvermögen = Geldschulden herangezogen werden, wobei das Geldvermögen der Nichtbanken ident ist mit den Passiva der konsolidierten Bilanz der Monetären Finanzinstitutionen in Deutschland einschließlich Bundesbank. Damit ergibt sich dann wieder eine verzerrte Umschlaghäufigkeit von etwa 7,5/Jahr.

Auf jeden Fall ist es aber nicht so, dass wir zwischen bewegtem Geld und ruhendem Geld unterscheiden müssten. Vielmehr ist alles Geld in Bewegung, nur mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bzw. unterschiedlichen Umschlaghäufigkeiten. Es liegen weder die Geldschulden noch die Geldvermögen unbeweglich bei bestimmten Personen ein für alle Mal fest. Auch hier kommt es zu Bewegungen in Form von Ab- bzw. Aufbau der einen wie der anderen.

Der Schluss von Gelleri von einer Teilmenge auf das Ganze ist daher unzulässig und irreführend.

Um es im Bild zu sagen: Nicht nur der Golfstrom bewegt sich aus dem Golf von Mexiko über den Atlantik und an West- und Nordeuropa vorbei, sondern die ganzen Meere sind in ständiger Bewegung. Und diese Bewegungen nehmen auch den Golfstrom mit. Würden diese Bewegungen aufhören, wäre es auch mit dem Golfstrom vorbei, und damit mit der Eisfreiheit der nordischen Länder.

So geht es auch nicht allein um die Bewegung des Bargeldes. Oder des Bargeldes und des Buchgeldes. Es geht um den ständigen Fluss der Geldschulden bzw. Geldvermögen, der nicht nur wegen seiner geringen Geschwindigkeit nicht erkannt wird, sondern weil es sich nur in den Büchern vollzieht. Bargeld spielt hier überhaupt keine Rolle. Und damit auch nicht die Beschleunigung des Umlaufes von Bargeld.

Mit der Verlangsamung des Schulden/Vermögensstromes in den Bereichen, wo die Arbeitseinkommen mit hervorgebracht werden, verlangsamt sich auch das Finanzierungspotential des Staates, da sich ja Steuern und Abgaben als Anteile (Auf- bzw. Abschläge) daran bestimmen.

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